Er ist eine Legende. Als Rambo und Rocky hat er die Welt erobert und ist heute vermutlich berühmter, als irgendein anderer Mensch auf dieser Welt. Seit Dekaden besitzt er weltweit eine riesengroße Fangemeinde, so natürlich auch im mitteldeutschen Hagen, wo im Osthaus Museum Hagen, im ältesten zeitgenössischen Museum Deutschlands, eine Auswahl seiner Werke anlässlich seines 75sten Geburtstages zu einer Ausstellung zusammengefunden haben. Denn – Sylvester Stallone ist Künstler. Und das auch schon seit Dekaden, nämlich seit ungefähr seinem 20sten Lebensjahr. International anerkannt und unglaublich wertgeschätzt. Über einen Helden, der in so vielen Bereichen über die Maßen talentiert ist.
Eine Legende in Hagen: Superstar trifft Kunst
Hagen. Mitten im Ruhrgebiet. Vor den raumhohen Glasfronten des Osthaus Museum Hagen bereits in den Morgenstunden Gruppen von wartenden Fans, um nur einen kleinen Moment mit ihrem ganz persönlichen Superstar Sylvester Stallone zu erhaschen. Stallone ist für viele ein Synonym für Rocky. Er ist Rambo. Ein Held, im Kampf mit sich selbst, mit anderen, dem Leben. Ein Mensch, der mit bösen Mächten ringt, der sich nach oben kämpft. Dass „Rocky“ tatsächlich eine von Stallone selbst erfundene Filmfigur ist, wissen Kunstkenner seit vielen Jahrzehnten. Denn sie entstand lange vor dem Film-Script zuerst auf der persönlichen Leinwand des Sylvester Stallone und ist als „Finding Rocky“ aus dem Jahr 1975 auch in der Ausstellung zu sehen. Es war nicht der Film, der das Gemälde inspirierte, sondern das Gemälde, das Sylvester Stallone auf die Idee brachte, die Geschichte zu schreiben. Die Malerei war für den Filmautor Teil des kinematografischen Schaffens, der Entstehung vorgelagert. Stallone ist Autor, Maler und Schauspieler in einer Person. Schon lange vor seiner Lei-wandkarriere hatte er also mit Malerei begonnen. Und bereits 2013 erklärte er bei der Eröffnung seiner monografischen Ausstellung im Russischen Museum in St. Petersburg, dass er eigentlich lieber Maler als Schauspieler geworden wäre. Ganz ähnlich äußerte sich der Kinostar im Jahr 2015 anlässlich seiner Überblicksausstellung im Musée d’Art Moderne et d’Art Contemporain in Nizza: „Ich glaube, ich bin ein viel besserer Maler als Schauspieler.“ Aber das breite Publikum kennt ihn vorrangig als Kämpfer auf der filmischen Leinwand. Als Ikone, Gigant, der stärker ist als das Leben. Rocky ist also zweifellos seine eigene Schöpfung.
Von der Leinwand zur Leinwand: Die unerwartete künstlerische Seite Stallones
Auftritt Sylvester Stallone. „Good Morning!“ ruft der Hollywoodstar und Künstler freundschaftlich mit seiner tiefen, sonoren und so beeindruckenden Stimme in die Menge. Und der Direktor des Kunsthaus Museums Hagen, Dr. Tayfun Belgin, gibt erste Einblicke in die Ausstellung: „Sylvester Stallones expressive Bilder führen uns mit großer Energie vor Augen, was unsere Existenz ausmacht. Seine Themen kreisen um Spiel, um Träume, um Fantasie, um harte Realitäten, um Glaube und um Tod. Zur biographischen Realität Stallones gehört selbstverständlich seine Auseinandersetzung mit den Gewinner- und Verlierertypen, mit Rocky, Rambo und anderen Leinwandfiguren. Die Identifikation mit dem Helden Rocky, dem Boxer, der bis auf das wirklich große Ereignis in seinem Boxleben, eher zum Typ Verlierer zählte, gilt bis heute. Die Bilder dieser Ausstellung beweisen es mit großer Bejahung. Stallone ist der Maler und der Schauspieler in einer Person. Wir haben das Glück, in unserer Retrospektive im Osthaus Museum Hagen einige seiner frühesten Werke, die selten oder noch nie gezeigt beziehungsweise abgebildet wurden, zu zeigen.“
Der künstlerische Ausdruck eines Filmstars: Sylvester Stallones Ausstellung in Hagen“
Wir schlendern andächtig mit Sylvester Stallone durch die Ausstellung seines beeindruckenden Schaffens. Farbenfrohe, energiegeladene Werke tun sich vor uns auf. Wir tauchen ein, in eine Welt, die die Tiefgründigkeit und enorme Vielseitigkeit eines Sylvester Stallones preisgibt. Seine Gemälde sind zunächst eine Reflexion über die Ikonen-Fabrik, die das Kino nun einmal ist. „Der Malerei nähere ich mich anders als dem Film“, sagt Stallone. „Mir ist klar, dass meine Bilder nicht viele hundert Millionen Menschen auf der ganzen Welt erreichen, sondern sehr viel weniger, und sie erzählen eine viel persönlichere Geschichte. Die Betrachter müssen also ihre Vorstellungskraft einsetzen, um herauszufinden, was der Künstler unterbewusst auszudrücken versucht.“
Interessant ist auch, wie der Künstler arbeitet. Bei seinem Werk „Finding Rocky“ benutzte er nämlich einen Schraubenzieher zur Kreation und keinen Pinsel. Ein rohes Werkzeug, fast schon eine Waffe. Denn der Action-Schauspieler schreitet auch bei seinen Kunstwerken mit Action zur Tat. Manchmal sogar mit Messern als Malwerkzeug bestückt, erinnert Stallones Maltechnik an einen „Kampf“. Und genau das bestätigt er uns im Interview:
Sylvester Stallone im Interview: Malerei als Kampf und Befreiung
Elke Bauer: Was fühlst Du denn beim Malen? Ist es immer eine Herausforderung oder gibt es manchmal dabei auch diese Momente der inneren Ruhe?
Sylvester Stallone: „Ganz ehrlich? Ich fühle mich energiegeladen! Ich fange an zu schwitzen, reisse mir das Hemd runter – es ist wie eine Schlacht, wie ein Kampf. Und dann – das Frustrierendste am Malen: Ich bin dermaßen unordentlich. Ich weiß nicht, wo die Deckel sind, die Farbe trocknet ein, ich kann den richtigen Pinsel nicht finden, ich werfe Tische um! Oh ja – es geht zu wie auf dem Schlachtfeld!“ Stallone lacht. Er ist ein äusserst charismatischer und humorvoller Mensch. Der sich nie gescheut hat, in sein tiefstes Inneres abzutauchen und das preiszugeben.
Sylvester Stallone: „Es ist eine Sache, in einem Film mitzuspielen, bei dem man die Unterstützung von 500 Crewmitgliedern hat, einschließlich des Regisseurs und dazu ein Filmstudio, Werbung und perfektes Licht und bei dem für alles gesorgt ist. In der Malerei hingegen, ist man ungefähr so nackt, wie bei der Geburt. Während ein Film im Grunde ein Gemeinschaftswerk ist, an dem mehrere Personen arbeiten, gibt es bei der Malerei keine Kompromisse. Die Malerei hat kein Drehbuch, keine Agenda, keine Produktionsgesellschaft. Es gilt: Keine Ausreden. Und nur man selbst ist dafür verantwortlich. Bei der Malerei geht es nur ums Ich. Man ist emotional entblößt. Malerei ist demnach etwas, was zunächst nur einen selbst betrifft und es ist diejenige Kunst, die am wenigsten Denkarbeit erfordert. Denn wenn man malt, fließt es aus einem heraus. Und ziemlich oft ist es nicht das, was man sich vorher vorgestellt hat. Das kann sogar frustrierend sein. Aber diese vermeintlichen Fehler und Missgeschicke, zum Beispiel mit ei-ner nicht angedachten Farbe, führen einen auf Wege, die man nicht beabsichtigt hat, die aber so ungemein wichtig sind, sie zu beschreiten. Malen heißt, die Komfortzone zu verlassen.
Dabei ist es für mich nicht von Bedeutung, ob das Bild schön aussieht. Ich denke, dass man vorrangig die Angst vor dem Versagen loswerden muss. Viele Künstler haben große Angst, ihre Bilder auszustellen. Aber in die Dualität zu gehen ist gut für einen Künstler. Es geht um den Versuch, etwas Neues zu schaffen, und aus der Unsicherheit entsteht manchmal etwas Großes. Ich denke tatsächlich, dass eine gewisse Angst zu haben, etwas ganz Wichtiges ist, im Leben. Denn sie ist es, die einen zu neuen Unternehmungen antreibt. Oft ist das Scheitern der beste Lehrer der Welt. Wenn ich mich also zu sehr an einen Stil gewöhnt habe, dann sage ich: „Hier gibt es keine Herausforderung mehr“ – denn ich weiß ja schon, dass dieser Stil funktionieren wird. Und tatsächlich kann man beobachten, dass es einige großartige Künstler gibt, die ihr ganzes Leben lang einen einzigen Stil beibehalten haben, weil sie sich damit wirklich wohl gefühlt haben. Mich macht das allerdings völlig nervös und dann denke ich: „Mensch, das wird mir zu einfach, lass mich etwas ausprobieren, das nicht derart bequem ist!“
Stallone stellt sich ständig der Ungewissheit und dem Unbehagen des Experiments. „Die Malerei kann dich an der Gurgel packen und in eine andere Richtung ziehen, in unerforschtes Gebiet. Das passiert nicht immer, aber wenn es passiert, hat man in der Regel ein fantastisches Bild, auf das man wirklich stolz sein kann.“ Ein Überblick über sein Werk offenbart eine eher seltene optische Vielfalt. Von der Gegenständlichkeit bis hin zur extremen
Abstraktion führt es durch verschiedene Kunstrichtungen. „Meine Frau würde es lieber sehen, wenn ich Blumen male. Aber ich interessiere mich nicht für die Blume, sondern für die Idee hinter der Blume“, sagt Stallone. Er erklärt geduldig und lächelnd seine Werke. Bild für Bild. Ganz so, wie man ihn nur teilweise kennt. Emotional mit sehr viel Ausdruck, leidenschaftlich, ehrlich und authentisch. Ein Mensch zum Anfassen, ohne Starallüren, nahbar, freundlich, liebenswert und empathisch.
Ein Jahrhunderttalent im Rückblick: Stallones Beiträge zur Welt der Kunst
Schauspielerei ist darstellende Kunst, das wid oftmals vergessen. Denn ein herausragender Schauspieler erweckt die Figur so zweifellos zum Leben, dass er untrennbar mit ihr verschmilzt. Sie wird real. Der Beruf des Schauspielers verlangt dabei, dass er in seiner Rolle einen Teil seines eigenen Wesens zugunsten des Charakters aufgibt, den er verkörpern soll. In seinen Filmen bringt Sylvester Stallone die Emotionen von Rocky Balboa oder John Rambo zum Ausdruck, fiktive Charaktere mit ganz anderen Persönlichkeitsmerkmalen als seinen eigenen. In seinen Gemälden kann Stallone hingegen seine eigene Persönlichkeit ausdrücken und seine Leidenschaften und seine Gefühle zeigen, seine ureigenen Empfindungen.
Stallone in Hagen. Auch mit seiner Malerei hat er längst Weltrum erlangt. Er ist ein Jahrhundert-Ausnahmetalent. Allein seine immense Selbstreflexion lässt ihn sich über alle Grenzen hinweg entwickeln. Und er entwickelt ein stückweit damit die ganze Welt. Sein Kampf für die Freiheit der Emotion und des Geistes ist ein stetes Ringen im Sinne der Freiheit aller.